Maßnahmen: Verbinden

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Buch: Maßnahmen: Verbinden
Gedruckt von: Gast
Datum: Donnerstag, 25. April 2024, 21:34

1. Druckverband

Hintergrund: Schock

Starke Blutungen können zu einem Volumenmangelschock (Hypovolämischer Schock) führen. Schon bei einem Blutverlust ab einem Liter besteht beim Erwachsenen (ca. 65kg) akute Lebensgefahr. Bei Säuglingen können 100 ml schon lebensbedrohliche Folgen nach sich ziehen. Der hohe Blutverlust führt dazu, dass die Sauerstoffversorgung oder Verwertung in mehreren Organen gleichzeitig vermindert ist, sodass im Gewebe Sauerstoffmangel auftritt. Somit besteht stets ein Missverhältnis zwischen dem im Kreislauf zirkulierenden Blut und dem Blutvolumen, das zur ausreichenden Versorgung aller Organe benötigt wird: Das Sauerstoffangebot ist geringer als der Sauerstoffbedarf

Allgemeine Schocksymptome
  • schneller, immer schwächer werdender Puls
  • fahle, blasse Haut
  • kaltschweißige Haut
  • Frieren
  • Teilnahmslosigkeit, Verwirrtheit
Allgemeine Maßnahmen bei Schocksymptomatik

Immer gilt:

  • Unfallstelle absichern/Eigenschutz beachten
  • schnellstmöglich Notruf absetzen
  • beruhigen
  • Wärmeerhalt
  • ständige Kontrolle der Vitalfunktionen

Zudem:

  • Schocklage
  • Beseitigen der Ursachen
    • hier: Stillen starker Blutungen z.B. mit einem Druckverband

Durchführung der Schocklage

Die betroffene Person legt sich auf den Rücken und die Beine werden durch Hochhalten und/oder Unterlegen von geeigneten Materialien (z.B. Sporttasche, Decken) ca. 20 bis 30 cm höher gelagert als der restliche Körper. Dadurch wird das in den Beinen befindliche Blut dem zentralen Kreislauf zur Verfügung gestellt. Das Kreislaufsystem hat so etwa 0,7 Liter mehr Blut zur Verfügung. Zusätzlich sollte der Wärmeerhalt sichergestellt werden, zum Beispiel mit einer Rettungsdecke.

Ausnahmen - Die 5-B-Regel
Die 5-B-Regel beschreibt Ausnahmen bei denen trotz eventueller Blutung und Schockgefahr keine Schocklage durchgeführt wird, sondern entsprechende andere Lagerungen durchzuführen sind:
  1. Birne (Kopfverletzungen) → Oberkörper leicht erhöht
  2. Brust (Brustkorbverletzungen) → Atemerleichternde Sitzhaltung
  3. Bauch (Bauchverletzungen) → Bauchdeckenentspannende Lagerung
  4. Buckel (Wirbelsäulenverletzungen) → Keine unnötigen Bewegungen, vorgefundene Lage unterstützen
  5. Becken (Beckenverletzungen) → Schonhaltung unterstützen, wenn möglich flache Lagerung
Auch wenn das Herz betroffen ist, z.B. bei einem Herzinfarkt bzw. kardiogenen Schock oder bei Atemnot wird keine Schocklage durchgeführt.

Lebensbedrohliche Blutungen

Große Blutverluste können schwere Folgen haben. Grundsätzlich entstehen Blutungen durch die Verletzung von Gefäßen. Aus der Farbe des Bluts lässt sich ermitteln, welches Gefäß betroffen ist, so tritt hellrotes Blut aus Arterien und dunkleres Blut aus den Venen. Wie gefährlich eine Blutung ist, hängt vom Ausmaß der Verletzung und vom gesundheitlichen Allgemeinzustand der betroffenen Person ab. Bei geringen Blutungen sichert das körpereigene Blutgerinnungssystem normalerweise innerhalb weniger Minuten die spontane Blutstillung. Bei starken Blutungen ist das körpereigene Gerinnungssystem allerdings überfordert, sodass blutstillende Maßnahmen von außen notwendig sind. Entsprechend dem Schweregrad einer Blutung lassen sich diese Arten unterscheiden:

  • Tropfend: eher bei kleinen Schnittwunden
  • Rinnend: größere Schnittwunden, jedoch ohne Verletzung eines großen Gefäßes
  • Fließend: es sind kleinere und größere Venen oder kleine Arterien betroffen
  • Spritzend: es sind mittlere und große Arterien betroffen.
Der Druckverband
Ziel des Druckverbandes ist es einen punktuellen Druck auf eine stark blutende Verletzung auszuüben. Die restliche Blutversorgung der umgebenden Regionen muss dabei stets vorhanden bleiben.

Hilfsmittel
  • Einmalhandschuhe
  • Steriles Material (Verbandpäckchen, Kompressen)
  • Druckpolster (sollte nicht Saugfähig sein, z.B. eingepacktes Verband- oder Taschentuchpäckchen)
Durchführung
  • Betroffenes Körperteil nach Möglichkeit hoch halten (ggf. durch 2. Helfer:in)
  • Steriles Material direkt auf die Blutung
  • 2-3 Bindengänge zur Befestigung
  • Druckpolster auf die steril abgedeckte Wunde drücken
  • Druckpolster Komplett einwickeln
  • Nun auf der Seite der Wunde nur noch über die Mitte des Druckpolsters wickeln
  • Gegenüber recht breit wickeln um den venösen Rückstrom zu entlasten
  • Nagelbettprobe
Hinweise
  • Bei schweren Blutungen sollte nicht nur die reine Wundversorgung im Vordergrund stehen, sondern gleichermaßen die Überwachung des Allgemeinzustands des Betroffenen. Wie du bereits erfahren hast, liegt die große Gefahr einer Blutung darin, dass es zu einem Volumenmangelschock führen kann. Es empfiehlt sich deshalb immer den Betroffenen auch während der Behandlung in die Schocklage zu bringen.
  • Betroffene Extremität hoch halten um die Blutung zusätzlich zu verringern
  • Das Abdrücken der Arterie des Armes oder des Beins wird NICHT mehr empfohlen
  • An folgenden Körperregionen und ggf. bei Amputationen ist das klassische Anlegen eines Druckverbandes nicht möglich bzw. nicht angezeigt:
    • Hals
    • Brust
    • Bauch
    Hier sollte manuell etwas Steriles (Kompresse, Verbandtuch, etc.) auf die Blutung gedrückt werden bis professionelle Hilfe eintrifft

Tutorial zum Druckverband

2. Ruhigstellung

Hintergrund

In der Notfallmedizin hat die Unterstützung der Schonhaltung eine wesentliche Bedeutung. Neben der konservativen Unterstützung ohne Hilfsmittel gibt es verschiedene Hilfsmittel mit denen eine betroffene Körperregion, meist aufgrund eines Knochenbruchs, ruhiggestellt werden kann.
In diesem Kapitel soll lediglich auf die Ruhigstellungsmaßnahmen eingegangen werden. Die restliche Versorgung des Betroffenen mit Kühlung der Verletzung, Vitalfunktionen, etc. wird hierbei nicht beachtet.

Arm ruhigstellen mit Dreiecktuch:

  • Vorgefundene Lage nicht gegen den Willen der betroffenen Person verändern
  • Mit einer Armschlinge (Dreiecktuch) die vorgefundene Schonhaltung stabilisieren und unterstützen:
    • Knoten in den rechten Winkel des Tuchs einbringen (vor oder nachdem der Arm im Tuch liegt)
    • Dient als Lasche für den Ellbogen
    • Arm in Tuch einlegen und die beiden Enden um den Nacken führen
    • Lagerung des Arms möglichst waagerecht oder nach Wunsch der betroffenen Person
    • Enden des Dreiecktuchs seitlich verknoten (Nicht im Nacken, da der Druck durch den Knoten sehr unangenehm sein kann)
  • Ggf. zweites Dreiecktuch zur Krawatte falten und die Armschlinge mit der Krawatte am Brustkorb anbinden

Tutorial zur Ruhigstellung des Arms

3. Amputationsverletzung

Hintergrund

Eine Amputation bezeichnet die Abtrennung eines Körperteils, zum Beispiel durch einen chirurgischen Eingriff oder ein Trauma (z.B. einen Unfall). In der Ersten-Hilfe ist unter einer Amputationsverletzung vor allem letzteres zu Verstehen.

Gerade bei Amputationsverletzungen spielt die psychische Betreuung eine entscheidende Rolle! Es ist wichtig zu erklären, dass etwas geschieht und sich um die betroffene Person gekümmert wird - aber keine falschen Hoffnungen machen, lieber Ablenken und etwas erzählen lassen.

Maßnahmen

Zuerst den Betroffenen versorgen, dann das Amputat!
  • Blutung stillen: sterilen Druckverband anlegen (oder ggf. mit der Hand und einer sterilen Kompresse, Druck auf die Wunde ausüben)
  • psychische Betreuung (Beruhigen, Ablenken, ggf. vom Amputat abschirmen)
  • Schockvorbeugung/-bekämpfung (Schocklage & Wärmeerhalt)

Umgang mit dem Amputat

  • Amputat steril einwickeln (Verbandtuch, Kompresse)
  • Amputat nicht reinigen oder Desinfizieren!
  • Amputat in ersten (inneren) Beutel legen, diesen fest verschließen (mit möglichst wenig Luft)
  • In einen zweiten (äußeren) Beutel Wasser und Eis (50:50)
  • Ersten Beutel in den zweitenBeutel stecken
  • Der innere Beutel sollte noch aus dem äußeren herausschauen
  • Beide fest verschließen
  • Idealerweise noch Name und Uhrzeit auf den Plastikbeutel notieren
  • Amputat dem Rettungsdienst übergeben

Tutorial zu Amputationsverletzungen

4. Fremdkörper in der Wunde

Je nach Unfallhergang kann es passieren, dass sich Fremdkörper (z.B. ein Nagel oder Glasscherben) in der Wunde befinden. Auch dann ist es möglich, die Verletzung zu versorgen und keimfrei abzudecken, es müssen aber bestimmte Dinge beachtet werden.

Bei einem Fremdkörper in der Wunde ist es wichtig, den Fremdkörper zu fixieren und möglichst wenig zu bewegen. Wird der Fremdkörper zu viel bewegt oder sogar herausgezogen können dadurch weitere Schäden, wie eine Vergrößerung der Wunde oder starke Blutungen, entstehen. Daher sollte die Wunde steril abgedeckt und der Fremdkörper, im Idealfall mit eingepacktem Verbandsmaterial (z.B. Verbandpäckchen), gepolstert werden. Aufgrund des ggf. hohen Blutverlustes besteht zusätzlich die Gefahr eines lebensbedrohlichen Kreislaufschocks.

Vorgehen nach den Notfallregeln

Sichern
  • unbedingt Eigenschutz beachten und Handschuhe anziehen
  • Situation überblicken und akute Gefahren beseitigen (z.B. scharfe Gegenstände außer Reichweite bringen)
Prüfen
  • Bewusstsein prüfen (AAA)
  • mehr sehen (Blut, Wunde, Fremdkörper)
    mehr hören (Angst, Panik)
    mehr fühlen (kaltschweißige Haut)
  • Du erkennst, die Person zeigt Anzeichen eines lebensbedrohlichen Kreislaufschocks durch den Blutverlust. Die betroffene Person sollte sich so früh wie möglich hinlegen, damit sie nicht plötzlich kreislaufbedingt umkippt.
  • Betroffenes Körperteil hochhalten, um die Blutung zu verringern
  • Den Fremdkörper in der Wunde nicht bewegen, herausziehen oder anders "manipulieren"!
Rufen
  • Notruf absetzen
Lagern
  • Schocklage
  • verletztes Körperteil hochhalten
Verbinden
  • Wunde steril abdecken (Die Kompresse kann dazu auch eingeschnitten werden)
  • Fremdkörper umpolstern (dazu möglichst geschlossenes Verbandmaterial nutzen)
  • Polsterung mit einem Verband vorsichtig fixieren
  • keinen Druck auf den Fremdkörper oder die Wunde ausüben
Betreuen
  • Sage, dass du da bist und was du tust
  • Schirme die Person vor Zuschauen ab
  • Suche vorsichtigen Körperkontakt
  • Sprich und höre zu
Temperatur regeln
  • Wärmen (Rettungsdecke/ Jacken, nach Bedarf)

Sonderfall: Fremdkörper im Auge

Bei der Versorgung von Augenverletzung ist es wichtig keinen weiteren Druck von außen auf das Auge auszuüben. Polstermaterial (z.B. ein Tragering) kann benutzt werden, um den Druck zu reduzieren und den Fremdkörper im Auge zu stabilisieren und so weiteren Verletzungen vorzubeugen.

Maßnahmen
  • Eigenschutz beachten (Handschuhe)
  • Person vor weiteren Gefahren schützen (Gefahrenquellen beseitigen, Rettung aus Gefahrenbereich)
  • Notruf absetzen
  • Erkläre der betroffenen Person genau, was du tust und hilf ihr sich hinzusetzen
  • Betroffenes Auge steril abdecken (locker)
  • BEIDE Augen mit einer Mullbinde oder einem Verbandpäckchen verbinden
  • Polstern, um den Druck auf das Auge zu vermindern und den Fremdkörper zu stabilisieren (z.B. mit einem Tragering aus einem Dreiecktuch)
  • Das detaillierte Betreuen der betroffenen Person ist bei Verletzungen der Augen besonders wichtig.
Es sollten stets beide Augen verbunden werden, da beim Herumblicken des gesunden Auges auch immer das Verletzte Auge mitbewegt wird. Ist der Augenverband angelegt, muss eine ständige Betreuung der Person erfolgen. Die betroffene Person sieht durch den Verband nichts und ist dadurch verunsichert und stark von Anderen abhängig. Erkläre also genau, was du gerade tust und was deine nächsten Schritte sind. Auch leichter Körperkontakt (z.B. Hand auf der Schulter) können hier die betroffene Person beruhigen und zeigen, dass du in der Nähe bist

Hinweis

Auch bei einem Fremdkörper in der Nase oder im Ohr  wird dieser vom Ersthelfer nicht entfernt. Vor allem auf die Verwendung von spitzen Gegenständen und Pinzetten sollte aufgrund der dadurch entstehenden Verletzungsgefahr verzichtet werden. Bei einem Fremdkörper in der Nase kann durch Nase schnäuzen und bei einem Fremdkörper im Ohr durch Kopf schütteln versucht werden, den Fremdkörper zu entfernen. Führt dies nicht zu Erfolg, sollte die betroffene Person einen Arzt aufsuchen.

Tutorial zu Fremdkörpern in einer Wunde

Tutorial zu Fremdkörpern im Auge